Potosi, Minenbesuch, 04.04.2016


Potosi war einmal die reichste Stadt der Welt ...

Bild des Tages:

Während der Kolonialherschaft der Spanier war Potosi der Dreh und Angelpunkt des Silberabbaus und der Verarbeitung zu Münzen. Noch heute ziert der Silberberg Cerro Rico die Münzen von Bolivien.

Gestern war Lucca und ich auf dem Cerro Rico und heute werden wir gemeinsam in den Berg einfahren.


Die Jungen konnten die Mienentour in ihrem Hostal buchen. Heute morgen um 8.50 Uhr ist Treffpunkt in Hostal Eucalyptus, der Führer ist über pünktlich, wir kommen leider drei Minuten zu spät. Nach dem Bezahlen der Tour steigen wir in den wartenden Bus ein. Wir sind nicht die einzigen.

 

Der erste Stop ist der Stützpunkt unser Organisation "koalatours". Hier werden wir eingekleidet, Hose, Jacke, Gummistiefel und Helm mit Lampe. Frauen bekommen gelbe, Herren rotbraune Helme. Nach dem Einkleiden werden wir in Gruppen eingeteilt, unsere Gruppe sind 8 Personen und wird Spanisch geführt. Lussa, Sarah, Floh oder Dinah übersetzen für uns.

 

Der nächste Gang geht in den Minanerosshop. Ein kleiner Laden in dem es Hadwekszeug für die Minenarbeiter gibt. Jorge, unser Führer, zeigt uns Dynamit aus bolivianischer Produktion. Es gibt auch Dynamit aus deutscher Produktion, der ist aber 3 fach so teuer, er ist besser, aber die Minenarbeiter kaufen den Bolivianischen, da bekommen sie mehr Dynamit fürs Geld. Um uns die Ungefährlicher der Dynamitstange zu beweisen, hält Jorge ein Feuerzeug an die Stange, nur kurz. Es ist zu überlegen, was wäre, wenn er lange das Feuerzeug daran gehalten hätte. Als Geschenk sollen wir Dynamit, Zündschnur, Ammoniumnitrat und eine Getränkeflaschen mitbringen. Ich kaufe zusätzlich noch ein Paar Handschuhe und zahle 48 Bs umgerechnet 7 €.

 

Dann brauchen wir noch Cocablätter. Dazu gehen wir gemeinsam zum nahegelegenen Markt, für 5 Bs kaufe ich eine Tüte Cocablätter und für 6 Bs eine Schachtel Zigaretten. Der Einkauf passiert in voller Minenarbeitermontur, das muß für die Einheimischen wirklich witzig ausschauen. Kein Minanero ist so gut gekleidet.

 

Mit den Geschenken steigen wir in den Bus ein. Wir fahren zur Erzaufbereitung. Die Anlage ist zur Zeit nicht in Betrieb. Hier werden die guten Steine gebrochen und zu Mehl gemahlen. Mit Fluorsäure werden die Metalle Silber, Quecksilber und Zinn herausgelöst und mit der Scheibenapperatur abgeschieden. Für das reichhaltige Gesteinsmehl bekommt der Minanero für ein Kilo ca. 30 Bs. Für schlechtes Gesteinsmehl nur 1 Bs, d.h. er verdient gar nichts.

 

Zur Zeit gibt es am Cerro Rico noch 200 aktive Minen. Die Minen werden als Kooperative betrieben. Die Kooperative stellt die Pressluft für die Belüftung der Stollengânge und die Loren zur Verfügung dafür müssen die selbstständigen Minaneros ca. 35% von ihrem Gewinn an die Kooperative abgeben. So nun wissen wir auch, nicht nur die Arbeitsbedingungen sind schrecklich, sondern auch noch die Entlohnung.

 

Nach diesen Informationen fahren wir mit dem Bus hoch zur Mine.

Die Geschenke, die wir von unserer Gruppe mitbringen, übergeben wir Jorge. Dynamit, Zündschnur und Ammoniumnitrat werden jeweils zwei in einer Tüte verpackt. Die Getränke landen in einem Beutel, die Cocablätter in einem anderen, sowie die Zigaretten und Handschuhe. Seltsam denke ich, warum müssen wir die Sachen einkaufen, wenn wir es gleich wieder abgeben müssen.

 

Gleich darauf kapiere ich es.

Die Kooperative vergibt im Stollen die Plätze an Gruppen oder Einzelpersonen. Bei jedem Abschnitt den wir passieren, wird ein Geschenk übergeben. Die Leute, die die Loren schieben bekommen die Getränke und Cocablätter, die die Bohren, den Sprengstoff, Getränke und Cocablätter. Jeder hier im Stollen hat Cocablätter in der Backe, ich glaube, sonst kann man die Enge, staubige Luft und Wärme auch nicht aushalten. Jede Gruppe bekommt etwas, so sind wir als Touristen auch akzeptiert.

 

Am Stollen Eingang müssen wir uns beeilen, wir dürfen den Lorenverkehr nicht behindern, also laufen wir im schnellen Schritt hinein in die Dunkelheit. Unsere Helmlampen geben uns Licht. Gleich müssen wir uns bücken, der Stollen wird niedriger, die Luft staubig, es riecht nach Öl. Wir laufen immer noch schnell. Ich atme durch das Tuch, das ich mir gekauft habe, um nicht so viel Staub einzuatmen, lass es aber gleich wieder. Egal, lieber staubige Luft atmen als zu wenig zu bekommen. Auf beinahe 4.400 m Höhe fällt das Atmen schon alleine schwer und dann noch in dem Stollen. Eine Lore kommt, wir drücken uns an die Stollenwand, Ratter, Ratter und die Lore fährt mit zwei Minaneros an uns vorbei. Die Minaneros schieben die Lore und auf dem letzten Stück können sie durch das Gefälle auf die Lore aufspringen.

 

Gleich an einem Seitenstrang treffen wir zwei fünfzehnjährige Minenarbeiter. Sie erweitern in ihrem Abschnitt die Gleise. Sie bauen Holzgleise ein. Beide haben ihre Backe dick mit Coca gefüllt. Sie bekommen ein Geschenk. Eine Lore wird in den Stollen geschoben, wieder wechselt ein Geschenk.

 

Wir verlassen den Hauptstollen. Im Seitenstollen geht es an einem Abgrund vorbei. Hier haben wir die Chance in einem kleinen Stollen über eine Leiter einzusteigen. Es wird eng. Hier wird gerade gebohrt und die Sprengung vorbereitet. Es ist laut und superstaubig. Ich schaue mit über die Leiter den engen Stollen an, nein da muß ich nicht rein, wenn ich nicht genug Luft bekomme, halte ich die Enge nicht aus, also Leiter wieder runter und warten bis die Jungen wieder zurück kommen. Ein zweiter Führer wartet mit uns, zwei Mädchen aus Guatemala, Beatrix und mir.

 

Dann hören wir gewimmere und Rufen. Ich denke, shit einer von unsren Mädchen geht es schlecht und muß hier raus, es kommt eine Japanerin die Leiter geschwächt herunter, sie hält es nicht mehr länger aus und wird raus gebracht. Die Jungen kommen bald drauf auch zurück, total staubig. Ich klatsche jeden ab, ich bin stolz auf sie, das sie das so durchhalten.

 

Weiter geht es in einen weiteren Stollen, hier sitzt muttersellenaleine ein Mann und klopft die Steine auseinander. Der Mann arbeitet alleine und trennt seine gebrochenen Steine in gute reichhaltige, weniger gute und nicht brauchbare Steine. Die nicht brauchbaren Steine glitzern jedenfalls für meine Augen toll. Ich darf mir einen mitnehmen. Vielen Dank. Der Mann bekommt Cocablätter. 

 

In einem sicheren Abschnitt, hier ziehen sich die Minaneros aus diesem Abschnitt zurück, wenn Sprengungen sind, ist ein Altar für Pachamama Erde aufgestellt. Jorge erklärt uns, die Arbeiter sind alles Katholiken, aber ab dem Stollen Eingang glauben sie nur noch an Pachamama und Tigo. Unter Tage wächst nichts, daher werden Pachamama Blumen aus buntem Papier dagebracht. Zigaretten werden angezündet und vor Pachamama aufgestellt, der Rauch symbolisiert den Atem, jeder soll hier atmen können. Frauen dürfen nicht in der Mine arbeiten, damit Pachamama nicht eifersüchtig wird. Es gibt noch weitere Rituale, wie hochprozentigen Alkohol oder Lamas zu opfern, aber ich möchte euch nicht langweilen.

 

Dann geht es wieder in einen engen Stollen, hier muss man sich sogar bäuchlings durch schieben, dahinter wieder Bohrgeräusche. Nein, da bleibe ich lieber hier in dem offenen Stollen. Ich bin nicht allein. Witzig, das eine Mädchen aus Guatemala spricht perfekt deutsch, ihre Mutter ist Schweizerin. Sie reist mit ihrer Freundin vier Monate durch Südamerika, das Geld hierfür hat sie sich in der Schweiz verdient. Wahnsinn.

 

Die Jungen kommen wieder aus der Enge gekrochen, meinen, ach das ist doch nicht so schlimm, na ja, wir beiden Alten, können uns der Meinung nicht anschliessen. Dann gehts wieder nach draußen.

 

Der Lichtschein am Ende des Stollen läßt in mir ein Glücksgefühl entspringen. Man hat soviel beängstigendes über diesen durchlöchert Berg gehört, da bin ich froh, dass wir alle wieder gesund das Tageslicht sehen dürfen.

 

Noch ein Gruppenbild, Klamotten abgeben und ab ins Hostal zum Duschen. Der feine Staub hängt auf der Haut und macht sie ganz trocken.

 

Dieser Minenbesuch ist eine große Erfahrung. Alle sind bestürzt über die Arbeitsbedingungen und die schlechte Entlohnung. Die Information, dass pro Woche ca. 2 Arbeiter sterben bestürzt uns sehr.

Warum kann man den Menschen hier keine bessere Arbeit geben, diese Frage beschäftigt uns.

 

Den restlichen Nachmittag verbringen wir im Cafe 7, beim Bummeln über den Mercado, beim Zuschauen einer Lichtprozession der Kindergartenkinder und beim Biertrinken und Binockelspielen im Pub 4.060.

 

Rätsel des Tages:

Wie lange schätzen die Experten, kann im Cerro Rico noch Silber gefunden werden?

Bildergalerie:


Kommentare: 2 (Diskussion geschlossen)
  • #1

    Petra (Mittwoch, 06 April 2016 00:30)

    Oje im Internet findet man darüber, zumindest ich, keine Angaben. Ich schätze man kann noch 50 Jahre abbauen. Tendenz kürzer.
    Dein Bericht hört sich total interessant an. Aber natürlich auch traurig. Woran kommen die Arbeiter um - Unfall, weil sie runterstürzen, oder bei Explosionen?
    Bin ich froh, dass ihr heil rausgekommen seid!
    Auf den Bildern sehen die Jungen im Gesicht aus wie Ziegeleiarbeiter!!!

  • #2

    Petra (Mittwoch, 06 April 2016 00:36)

    So jetzt kommt der Lehrer in mir:
    Das Datum ist falsch! Es ist der 04.04. und nicht der 04.03.
    Ich sag das nur deshalb damit ihr nicht noch einen Monat bleibt, weil ihr denkt es sei erst März!!!! :)))